“Postkoloniale Studien” lassen der Literatur nur bedingt Raum für Widerspruch, Subversion und Komplexität. Die meistdiskutierten Varianten postkolonialer Theorie unternehmen entweder diskursanalytische Reduktionen (Edward Said, Enrico Mario Santí, Mary Louise Pratt, Susanne Zantop) oder binäre Schematisierungen (Tzvetan Todorov, Stephen Greenblatt), oder sie entwerfen dialektische Modelle (Russell Berman), während diesbezügliche Spielarten der Dekonstruktion (Jacques Derrida) ebenso wie die aus dieser hervorgegangene Theorie der Hybridität (Homi Bhabha) nicht auf die Lektüre konkreter Texte orientiert sind. Postkoloniale Theorie tut mit der Literatur genau das, was sie dieser vorwirft: die vereinfachende Modellierung von “Alterität” nach vorgegebenen Maßstäben. Eine Herausforderung für den Postkolonialismus besteht darin, Lektüre-Techniken zu entwickeln, die der Komplexität der kolonialen und postkolonialen Erfahrungen und der Literatur, in denen diese reflektiert werden, gerecht(er) wird. Autoren wie Alexander von Humboldt weisen auf das Modell einer “dynamischen” Lektüre. Die Widersprüchlichkeit des kolonialen Diskurses im Detail zu analysieren und theoretisch zu konzeptualisieren, ist nicht apologetisch, sondern ein kritisches Projekt.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1866-5381.2005.01.03 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1866-5381 |
Ausgabe / Jahr: | 1 / 2005 |
Veröffentlicht: | 2005-04-01 |
Seiten 16 - 39
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