Levin Ludwig Schücking (1878–1964), der in Jena, Breslau, Leipzig, Erlangen und München lehrte, gilt als der letzte Anglist, der auf allen Gebieten seines sich ausdifferenzierenden Fachs Bleibendes geleistet hat. Als Promovend und Habilitand bei Lorenz Morsbach (1850–1945) in Göttingen entstammte er noch der Atmosphäre einer kleineren kaiserzeitlichen Universität, an der der ausklingende Positivismus in den neueren Sprachen noch Hochstände feierte. Seine methodische und inhaltliche Neugier führte ihn aber von der alt- und mittelenglischen Editionsphilologie rasch zu literatursoziologischen Fragestellungen; erst recht nachdem er 1910 als planmäßiger Extraordinarius in Jena sein eigener Herr geworden war. Schlagwortartig wird noch heute seine 1923 erstmals erschienene und seitdem häufig neuaufgelegte und übersetzte “Soziologie der literarischen Geschmacksbildung” mit ihm in Verbindung gebracht; ebenso wie zahlreiche Studien auf dem Gebiet der Shakespeareforschung, die in sechs Jahrzehnten literaturgeschichtlicher Arbeit entstanden.
Dabei fiel es dem Sohn einer westfälischen Gelehrtenfamilie anfangs schwer, die eigenen dichterischen Neigungen hinter die Aussichten auf eine Universitätskarriere zurückzustellen. Wie aus seiner jüngst aufgefundenen und demnächst in einer kritischen Edition vorliegenden Autobiographie hervorgeht , war es neben der oft zum Selbstzweck betriebenen Sprachgeschichte vor allem der Mangel an akademischen Vorbildern und mitreißenden Lehrerpersönlichkeiten innerhalb der Englischen Philologie, die Schücking an seiner Zugehörigkeit zur deutschen anglistischen academic community zweifeln ließ. Sein späteres pazifistisches Engagement und seine uneigennützige Prinzipientreue ließen den akademischen Lehrer von immerhin sechs Nachkriegsprofessoren6 dann zeitlebens einen “Einzelkämpfer” innerhalb seines Fachs bleiben.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1866-5381.2008.02.04 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1866-5381 |
Ausgabe / Jahr: | 2 / 2008 |
Veröffentlicht: | 2008-12-15 |
Seiten 258 - 271
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