Zu Beginn des 21. Jahrhunderts scheint es angesichts des allgemeinen Bewusstseins für den sozialen Konstruktcharakter von Geschlechterrollen obsolet, auf der Unterscheidung von Männer- und Frauenliteratur zu insistieren. Nach fast vierzig Jahren feministischer Revolte im Anschluss an die 68er-Revolution, die zur juristischen Gleichstellung der Geschlechter und zur Frauenquote geführt haben, haben die Autorinnen alle Bastionen gestürmt und selbst Tabu-Themen wie Sexualität und Pornographie erobert. Auch im Wissenschaftsbetrieb gehören genderspezifische Fragestellungen und Analysen zum festen Bestandteil kulturwissenschaftlicher Forschung, die eine dezidiert feministische Methodik kritisch in den Blick nimmt und als anachronistisch entlarvt. In dem Maße, in dem gesellschaftskritisches Engagement im Zuge der Auflösung politischen Blockdenkens an Konsistenz verliert, wird auch die so genannte Frauenfrage mehr und mehr als historisches Relikt wahrgenommen und ihres ideologischen Gehalts entledigt. Trotz allen Fortschritts und insbesondere trotz fortschreitender Globalisierung konstituiert die schreibende Frau zwar keinen blinden Fleck mehr innerhalb der europäischen Kulturgeschichte, bleibt aber immer noch ein gesellschaftlich-kulturelles Phänomen, das längst nicht so viel Aufmerksamkeit erfährt wie die mannigfaltigen Ausprägungen des männlichen Genius. Wie die Anglistin Ina Schabert in ihrem wegweisenden Beitrag “Genus als Kategorie einer neuen Literaturgeschichtsschreibung” hervorhebt, bedürfen insofern Literaturgeschichten aufgrund der prinzipiell subjektiven Selektionskriterien einer ständigen Revision, da Produktion und Rezeption lange Zeit von einer ausschließlich androzentrischen Perspektive bestimmt waren.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1866-5381.2011.01.51 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1866-5381 |
Ausgabe / Jahr: | 1 / 2011 |
Veröffentlicht: | 2011-06-30 |
Seiten 229 - 233
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